Einrichtung wird als stationär eingestuft, wenn sie einen professionellen Organisationsapparat zur Verfügung stellt, der den Betreuten in den wesentlichen Aspekten der Lebensführung unterstützt.
Zwangsbehandlung – Ein kritischer Blick zum aktuellen Stand
Vor Kurzem wurde der Schlussbericht zum Forschungsvorhaben „Evaluierung des Gesetzes zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten vom 17. Juli 2017“ veröffentlicht. Dieser Bericht wirft erneut ein Schlaglicht auf die kontroverse Thematik der Zwangsbehandlung, die aktuell durch einen Vorlage-Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. November 2023 (Az.: XII ZB 459/22) an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine besondere Brisanz erfährt.
Der BGH hat das BVerfG um eine Entscheidung gebeten, ob es mit der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist, dass § 1906a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BGB die Durchführung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme in einem Krankenhaus vorschreibt, auch wenn die betroffene Person aus medizinischer Sicht ebenso gut in der Einrichtung, in der sie untergebracht ist, behandelt werden könnte. Hintergrund ist, dass durch die Verbringung in ein Krankenhaus erhebliche gesundheitliche Nachteile für die Betroffenen entstehen können.
Das Verfahren wird beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 1/24 geführt. Zunächst hat das Gericht Stellungnahmen zahlreicher Verbände und Organisationen eingeholt. Im zugrundeliegenden Fall reagierte die Betroffene auf notwendige Zwangsbehandlungen in einem Krankenhaus regelmäßig mit einer Retraumatisierung.
Ein zentrales Argument gegen die Lockerung der bestehenden Regelungen ist die Befürchtung, dass erste Ausnahmen vom Verbot einer sogenannten ambulanten Zwangsbehandlung einen „Dammbruch“ auslösen könnten. Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen (BGT) lehnt jede Lockerung strikt ab, um zu verhindern, dass die ambulante Zwangsbehandlung zur Regel wird.
Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass die strikten Regelungen dazu führen, dass einzelne Betroffene im Interesse der Allgemeinheit übermäßig belastet werden. Diese Menschen müssen die Strapazen einer Krankenhauszuführung und die daraus resultierenden gesundheitlichen Nachteile ertragen, um eine Ausweitung der ambulanten Zwangsbehandlung zu vermeiden. Einige Stimmen fordern daher, dass ambulante Zwangsbehandlungen grundsätzlich zulässig sein sollten. So plädiert der Bundesverband für Betreuungsrecht (BVfB) dafür, Zwangsbehandlungen sogar in der eigenen Wohnung zuzulassen.
Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen (BdB) hingegen vertritt in seiner Stellungnahme eine differenzierte Ansicht. Er kann sich eine Lockerung der jetzigen Regelungen nur unter sehr engen Voraussetzungen vorstellen. Es müsste sichergestellt werden, dass Zwangsbehandlungen auf ein unvermeidbares Minimum beschränkt bleiben und dass in jedem Einzelfall geprüft wird, ob die Behandlung im eigenen Wohnbereich tatsächlich zu einer geringeren Belastung führt als eine Krankenhausbehandlung. Dazu wird der Einsatz speziell fortgebildeter Betreuer und Verfahrenspfleger gefordert.
Diese Debatte zeigt die komplexen ethischen und rechtlichen Fragen auf, die mit der Zwangsbehandlung verbunden sind. Es bleibt abzuwarten, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird und welche Auswirkungen dies auf die Praxis der Zwangsbehandlung in Deutschland haben wird. Klar ist, dass die Diskussion um den Schutz der Betroffenen und das Selbstbestimmungsrecht auch in Zukunft intensiv weitergeführt werden muss.
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